Rede von Präsidentin von der Leyen beim Spatenstich für eine neue Fabrik der Infineon Technologies AG

Herzlichen Dank, liebe Frau Duray,

sehr geehrter Herr Bundeskanzler Olaf Scholz,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident Michael Kretschmer,

sehr geehrter Vorstandsvorsitzender Jochen Hanebeck,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dirk Hilbert,

sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, an diesem besonderen Tag hier bei Ihnen zu sein. Dresden ist ohne jeden Zweifel ein digitaler Leuchtturm in Europa. Wir feiern den ersten Spatenstich für eine Smart Power Fab. Ein großer Schritt voran für Dresden und Silicon Saxony in der digitalen Welt. Ab 2026 sollen hier im großen Stil Halbleiter produziert werden. Die Region darf auf mehr als 1000 zukunftsfähige Arbeitsplätze hoffen. Das ist natürlich zuallererst eine großartige Perspektive für Sachsen und die ganze Region. Aber das ist auch eine enorm wichtige Nachricht für Europa.

Warum das der Fall ist, das möchte Ihnen kurz erläutern. Auf meinen Reisen stoße ich häufig auf digitale Spitzenleistungen „Made in Europe“. Start-ups aus der Slowakei bringen neue Technologien an den Markt – von Nano-Sensoren bis zur RNA-Sequenzierung. Universitäten in Irland setzen auf künstliche Intelligenz, um die Tiergesundheit in der Landwirtschaft zu verbessern. Ein Luxemburger Unternehmen entwickelt mit Hilfe von Quantencomputern und Satellitentechnik ultrasichere Kommunikationssysteme. Doch Europa ist nicht nur bei solchen digitalen Anwendungen stark. Unsere Halbleiterforschung und -entwicklung ist weltweit anerkannt. Wir bauen hervorragende Supercomputer. Der Marktführer von Spezialmaschinen zur Chip-Herstellung beliefert von Europa aus die ganze Welt. Nicht nur Silicon Saxony sondern auch Ortsnamen wie Löwen (IMEC), wie Eindhoven (ASML), wie Grenoble (Research) oder Barcelona (Super-Computer) haben in der globalen digitalen Szene einen hervorragenden Klang. Und die Europäische Kommission leistet gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Pionierarbeit auf dem Feld des Datenschutzes und sicherer Künstlicher Intelligenz.

Dürfen wir stolz sein auf diese digitalen Stärken Europas? Ein klares Ja. Dürfen wir mit dieser Bilanz zufrieden sein? Die Antwort lautet: „Noch nicht, dafür müssen wir noch vieles mehr tun.“ Hier kommt Dresden ins Spiel. Der Globalisierungsschub der vergangenen Jahrzehnte hat es mit sich gebracht, dass sich die Wirtschaftsregionen der Welt zu sehr auf ihre jeweiligen Stärken konzentriert haben. Europa zum Beispiel hat seine Expertise im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie bei den Industrieanwendungen ausgebaut. Was jedoch lange keine Priorität war, ist die Massenproduktion von Halbleitern, ohne die am Ende alle Räder stillstehen. Ihr globaler Schwerpunkt liegt derzeit in Taiwan und Südkorea. Und damit in einer Region, in der es jederzeit zu Spannungen kommen kann. Bei jeder Störung des Handels wären die starke industrielle Basis Europas und unser Binnenmarkt sofort empfindlich betroffen. Wir erleben ja alle, wie rasant die geopolitischen Risiken zugenommen haben. Deswegen müssen wir in Europa die Lieferketten unserer wichtigsten Güter und Technologien stärken. Das bedeutet, dass wir uns auch bei Chips breiter aufstellen müssen und mehr eigene Kapazitäten vorhalten müssen. Für die so wichtigen Halbleiter brauchen wir wieder mehr Massenproduktion hier bei uns in Europa. Und deswegen, meine Damen und Herren, ist Dresden ein so wichtiger Meilenstein. Chips, die hier produziert werden, stecken in Autos, Smartphones und Elektrogeräten aller Art. Sie kommen bei der Stromversorgung zum Einsatz und in Windrädern, in Schnellzügen, sowie in riesigen Rechenzentren. Und diese Chips sind nicht zuletzt ein unverzichtbarer Baustoff für Europas nachhaltige und digitale Zukunft. 

Daher liegt ein Schwerpunkt unseres Europäischen Chips Acts auf der Steigerung der heimischen Produktion. Für den European Chips Act nehmen wir – die EU und die Mitgliedstaaten – bis zu EUR 43 Milliarden in die Hand. Bis 2030 wollen wir gemeinsam mit der Industrie Europas Anteil an der weltweiten Chipproduktion verdoppeln – auf 20%. Weil aber auch der Chipmarkt rasant wächst, heißt das, dass wir unsere heutigen Kapazitäten vervierfachen müssen. 

Das geht nur im engen Zusammenspiel mit starken Unternehmen wie Infineon. Der Chips Act schafft Planungssicherheit für Halbleiterunternehmen und Zulieferer, die in Standorte in Europa investieren wollen. Das ist entscheidend, denn die ganze Welt bemüht sich derzeit um die Ansiedlung von Chipfabriken. Dresden und Silicon Saxony sind ein Symbol dafür, dass der Standort Europa in diesem Wettbewerb bestehen kann, wenn wir den Rahmen klug gestalten.

Es ist ja kein Zufall, dass Infineon gerade hier die größte Einzelinvestition der Firmengeschichte tätigt. Hinter dem Begriff Silicon Saxony steckt kluge Ansiedlungspolitik. Dahinter steckt die gute Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft in und um Dresden, Leipzig und Chemnitz. Dahinter steckt das enge Zusammenspiel von innovativen Start-ups und etablierten Weltmarktführern. Und dahinter steckt mehr als nur eine Prise Europa. Da sind die Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds NextGenerationEU. Sie helfen schon heute beim Bau innovativer, besonders energieeffizienter Chips. Wir haben den vergangenen Monaten unsere Beihilfepolitik im Bereich der Chips grundlegend überarbeitet. Und diese Anpassung zeigt erste Erfolge am Beispiel modernster Chip-Fabriken in Catania auf Sizilien und in Crolles in der Nähe von Grenoble.

Dresden und die genannten Beispiele zeigen, wie wir erfolgreich sein können, wenn wir unsere Stärken stärken. Wir wollen aber auch, dass der Erfolg von Dauer ist. Deswegen arbeiten wir beispielsweise hart dafür, dass Europa Zugang zu den nötigen Rohstoffen für die Wirtschaft von morgen hat. Mit dem Critical Raw Materials Act der Europäischen Union wollen wir sicherstellen, dass die notwendigen seltenen Erden und Rohstoffe in Europa nicht knapp werden. Siliziummetalle ist der am häufigsten genutzte Rohstoff für die Chipherstellung. Derzeit dominiert China mit 76% die weltweite Produktion. Diese Abhängigkeit von einzelnen Rohstofflieferanten ist ein Risiko. Deshalb wollen wir mit neuen Projekten in Europa, aber auch Partnerschaften mit Ländern wie Australien, den USA und Kanada für Alternativen sorgen und so die Lieferketten europäischer Unternehmen absichern.

Meine Damen und Herren,

für alle, die an einer erfolgreichen digitalen Zukunft arbeiten, ist heute ein besonderer Tag. Dieses Ereignis ist ein wichtiges Signal, das weit über Dresden hinaus strahlt. Ich ahne, welche enorme Planungsarbeit und Vorbereitung nötig war, dass dieser Meilenstein heute erreicht ist. Deswegen möchte ich allen beteiligten Frauen und Männern im Unternehmen und den beteiligten Verwaltungen für Ihre unermüdliche und hervorragende Arbeit danken. Ich gratuliere Infineon, ich gratuliere Sachsen, ich freue mich für die Wirtschaft in Deutschland und ganz Europa. Mögen die Bauarbeiten glücklich vorangehen.

Herzlichen Dank.